Bischöfe: Friedensprojekt Europa bleibt aktuell
Österreichs Bischöfe rufen zur Beteiligung an den Europawahlen vom 22. bis 25. Mai auf. Die Europäische Union, die "maßgeblich von christlich motivierten Politikern gegründet" worden sei, brauche "die demokratische Mitwirkung der Bevölkerung und das Engagement von Christen", heißt es in einer Erklärung der Bischofskonferenz im Anschluss an ihre Frühjahrsvollversammlung im Stift Admont. Zugleich unterstreichen die Bischöfe, dass die Bedeutung der Europäischen Integration als Friedensprojekt "ungebrochen aktuell" sei. Die Krim-Krise und auch der anhaltende Krieg in Syrien hätten deutlich gemacht, "dass der Friede in Europa keine Selbstverständlichkeit, sondern eine bleibende Aufgabe ist".
» Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Admont
Europa im Jahr 2014 betrachten die Bischöfe als einen "Kontinent in Bewegung", dessen Dynamik "viele Menschen verunsichert und ängstigt". Sie sehen die Gefahr, dass jene "alten Reflexe" erwachen, die in der Vergangenheit zu heuer besonders erinnerten Ereignissen geführt hätten: Die Bischöfe verweisen auf den Beginn des Ersten Weltkriegs am 28. Juli vor 100 Jahren und an den Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September vor 75 Jahren. Aus der Verwüstung weiter Teile Europas und dem Tod von Millionen Menschen sei die Einsicht erwachsen, "dass nur ein auf Menschenrechte gegründetes, politisch geeintes und solidarisches Europa den Friede zwischen seinen Nationen sichern und so eine Wiederholung dieser Katastrophen verhindern könne". Vor 25 Jahren schließlich sei mit dem Fall des "Eisernen Vorhangs" die Teilung Europas als Folge des Zweiten Weltkriegs beendet worden.
EU-Abgeordnete "vor großen Herausforderungen"
Wenn im Mai in nunmehr 28 EU-Mitgliedsstaaten rund 400 Millionen Wahlberechtigte ein neues Europäisches Parlament wählen, stünden die 751 Abgeordneten in den kommenden fünf Jahren vor großen Herausforderungen: Besonderer Beachtung bedürfen nach Überzeugung der Bischöfe der umfassende Schutz des menschlichen Lebens und der Familie. Offenkundig sei die "Verletzbarkeit und die Grenzen unseres Wirtschaftssystems", seit 2008 die Finanzkrise ausgebrochen sei und vielerorts eine Staatsschuldenkrise ausgelöst habe. Die "besorgniserregend hohen Schulden" in vielen Staaten beeinträchtigten die Zukunftschancen der jüngeren Generation und erforderten "eine neue Politik des Maßhaltens". Diese dürfe - so die Bischöfe weiter - "allerdings nicht dazu führen, dass sich die bestehende Kluft zwischen Arm und Reich in Europa weiter vertieft". Auch die Nachhaltigkeit als ein grundlegendes Prinzip der Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, "aber auch der persönlichen Lebensweise", gelte es zu fördern.
Besondere Aufmerksamkeit der Politik müsse der Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa wie auch der Frage von Asyl und Migration gelten; die Verantwortung für das Leben von Flüchtlingen müsse innerhalb Europas fair verteilt werden, unterstreichen die Bischöfe: "Europa wird noch mehr Solidarität und Entschlossenheit brauchen, um weitere menschliche Tragödien wie jene vor Lampedusa zu verhindern."
Schließlich fordern die Bischöfe auch noch Religionsfreiheit als "Kernelement einer toleranten und offenen Gesellschaft" ein: "Wir begrüßen die Empfehlungen der EU zur weltweiten Förderung und zum Schutz der Glaubens- und Religionsfreiheit, und wir erwarten, dass das neue Europäische Parlament seine Anstrengungen in dieser wichtigen Angelegenheit verstärkt."
"Krieg ist kein Schicksal"
Als "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" bezeichneten die Bischöfe den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren. "In Wahrhaftigkeit und Scham" müsse man auch heute noch die massive Verstrickung in die Ideologie des Krieges auch seitens der Kirchen und Religionsgemeinschaften eingestehen, heißt es in einer weiteren Erklärung der Bischofskonferenz. Aufgrund der "Taubheit und Ignoranz der damaligen kirchlichen und politischen Amtsträger" seien auch die Friedensinitiativen von Papst Benedikt XV. ab 1914 letztlich bei allen Kriegsparteien wirkungslos geblieben.
Als Wurzeln des Krieges bezeichneten die Bischöfe den zum "Religionsersatz" gewordenen Nationalismus, Hass, Verachtung und Arroganz gegenüber anderen Völkern sowie die Anmaßung absoluter Macht über Leben und Tod. Massive Gerechtigkeitsdefizite und Verstöße gegen die Menschenrechte bedrohten auch heute noch den Frieden.
Gefahren seien etwa "die Versuchung der Macht und die Glorifizierung von Gewalt, verbunden mit der subtilen Manipulation möglichst vieler Menschen". Der Friede beruhe hingegen auf Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit, wie schon Papst Johannes XXIII. in seiner Enzyklika "Pacem in Terris" betont habe. Überzeugt sei die Kirche, dass "Krieg kein Schicksal und auch kein Naturgesetz" sei, sondern immer eine "Niederlage für die Menschheit". Daran würden auch die vielen Kriegerdenkmäler erinnerten.
Am Tag vor dem Ausbruch Ersten Weltkrieges, am 27. Juli, laden die Bischöfe Pfarrgemeinden, kirchliche Gemeinschaften und Gruppen ein, an diesen Orten der Toten zu gedenken, "für den Frieden zu beten und darum, selbst Werkzeug des Friedens und der Versöhnung zu sein". Bereits am 18. Juni gedenken die Bischöfe bei ihrer nächsten Vollversammlung in Mariazell in einem Gottesdienst der Ereignisse vor 100 Jahren.
Kampf gegen Steueroasen
Angesichts von "Österreichs Verantwortung in der Welt" (so der Titel einer weiteren Erklärung) fordern die Bischöfe zusätzliche Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit, eine Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds, den Einsatz gegen die globale Steuerflucht, die Austrocknung der Steueroasen, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und die rasche Erfüllung der bereits 2013 gemachten Aufnahmezusage für Syrien-Flüchtlinge.
Die Bischöfe erinnern an die geringe österreichische öffentliche Entwicklungszusammenarbeit, die lediglich bei 0,28 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) liegt. Das Nachlassen an Hilfe und Entwicklung bedrohe den Frieden und die Sicherheit in vielen Gebieten der Erde. Die Lage werde weiter verschärft, weil die globalen Krisen Fortschritte im Kampf gegen Hunger und Unterernährung zunichtemachten. Zwar zeige das Regierungsprogramm "viele positive Ansätze", entscheidend aber werfe sein, "was davon tatsächlich umgesetzt wird". Ziel müsse sein, die Entwicklungszusammenarbeit als staatliche Gesamtverantwortung zu stärken; die zahlreichen Hilfsorganisationen der Zivilgesellschaft und der Kirchen in Österreich seien dabei für den Staat ein "bewährter und kompetenter Partner".
Aber Österreich solle auch jene Maßnahmen auf globaler Ebene unterstützen, die eine gerechtere und stabilere Finanzordnung erreichen wollten. "Dazu zählt insbesondere der Einsatz für die weltweite Bekämpfung von Steuerflucht und Steueroasen sowie die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen zur Eindämmung von Spekulation und Finanzrisikoprodukten", heißt es wörtlich.