Irak: Kirchen für internationales Eingreifen
Die christlichen Kirchen in Österreich fordern ein internationales koordiniertes Vorgehen gegen den Terror der ISIS-Truppen ("Islamischer Staat im Irak und Syrien") im Irak. Die österreichische Regierung sei aufgerufen, gemeinsam mit weiteren EU-Ländern bei den Vereinten Nationen für "zweckdienliche Maßnahmen" einzutreten, um den Terror zu beenden und im Irak den Aufbau eines Staatswesens zu ermöglichen, "das auf gleichen Rechten für alle Bürger, unabhängig von ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit, basiert", heißt es in einer am Montag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung von Spitzenvertretern der christlichen Ökumene. Weiters befürworte man Sanktionen seitens der USA und der EU, die die ISIS finanziell treffen.
Unterzeichnet wurde die Erklärung von Kardinal Christoph Schönborn, dem griechisch-orthodoxen Metropoliten Arsenios (Kardamakis), dem evangelisch-lutherischen Bischof Michael Bünker, dem Vorsitzenden des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Superintendent Lothar Pöll, sowie dem Präsidenten der ökumenischen Stiftung "Pro Oriente", Johann Marte.
Das Vorgehen der ISIS im Irak - speziell in Mossul - gegen Christen und andere religiöse Minderheiten stellen laut der Erklärung einen "Anschlag auf die Grundlagen der Zivilisation, der Menschenwürde und der Menschenrechte" dar und zugleich eine "verabscheuungswürdige Lästerung des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs". Das "weitgehende Schweigen der Weltöffentlichkeit" angesichts dieses "Kreuzweges der Christen von Mosul" stelle einen "Skandal" dar, so die Unterzeichner.
Man verneige man sich "in tiefer Ehrfurcht vor dem Glaubenszeugnis der Christen von Mosul", heißt es weiter. Diese seien "die würdigen Erben jener großen Mesopotamischen Tradition, die der Welt (...) unzählige Märtyrer, Theologen, Gelehrte und schlichte Zeugen des Glaubens (...) geschenkt hat."
Wortlaut der gemeinsamen Erklärung |
Für die Christen in Österreich sind die Nachrichten aus dem Irak über die Umtriebe der Anhänger des sogenannten 'Islamischen Staates' (IS) in Mosul und den benachbarten Gebieten schockierend und herzzerreißend. Das Vorgehen der IS-Leute gegen die Christen und die Angehörigen anderer religiöser Minderheiten sind ein Anschlag auf die Grundlagen der Zivilisation, der Menschenwürde und der Menschenrechte. Die IS-Leute behaupten, sie würden einen Gottesstaat aufbauen. Tatsächlich stellt all ihr Denken, Reden und Handeln eine verabscheuungswürdige Lästerung des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs dar.
In Mosul wurden die Christen vor die Wahl gestellt, ihren Glauben zu verraten, die herabwürdigende Sondersteuer der 'Dschizya' zu zahlen oder die Stadt zu verlassen. Den Vertriebenen wurde alles genommen, Häuser, Betriebe, Autos, Wertgegenstände, Gelder, sogar die Eheringe. Die ehrwürdige St. Ephrem-Kathedrale der syrisch-orthodoxen Kirche wurde - ebenso wie andere Gotteshäuser - entweiht, das Grab des den Bekennern aller Religionen heiligen Propheten Jona geschändet. Wir neigen uns in tiefer Ehrfurcht vor dem Glaubenszeugnis der Christen von Mosul, die um der Treue zum gekreuzigten und auferstandenen Christus willen auf alles verzichtet haben. Sie sind die würdigen Erben jener großen mesopotamischen Tradition, die der Welt seit apostolischer Zeit im Land an Euphrat und Tigris unzählige Märtyrer, Theologen, Gelehrte und schlichte Zeugen des Glaubens an den menschgewordenen Sohn Gottes geschenkt hat. Die Vorgänge im Irak bedeuten nach den Worten des mit Österreich so tief verbundenen chaldäisch-katholischen Patriarchen Mar Louis Raphael Sako eine 'humanitäre, kulturelle und geschichtliche Katastrophe'. Das weitgehende Schweigen der Weltöffentlichkeit angesichts des Kreuzwegs der Christen von Mosul - und so vieler anderer oft durch eine zweitausendjährige Tradition geheiligter Stätten - stellt einen Skandal dar. Die Verantwortlichen der christlichen Kirchen in Österreich laden am Freitag, 8. August, zu einem Tag des Fastens und der Fürbitte für die irakischen Christen und für deren muslimische Freunde ein. Als Zeichen der Verbundenheit wird auch um Spenden für die österreichische 'Initiative Christlicher Orient' (ICO) und 'Kirche in Not' gebeten, damit den völlig mittellosen Christen, die im kurdischen Autonomiegebiet großzügige Aufnahme gefunden haben, auch materiell geholfen werden kann. An die österreichische Bundesregierung ergeht die Bitte, dass sich Wien auf internationaler Ebene dafür einsetzen möge, dass die USA, die Mitgliedsländer der Europäischen Union und andere einflussreiche Staaten gegen politisch tätige Personen und Wirtschaftsunternehmen, die die Aktivitäten des 'Islamischen Staates' finanziell oder in anderer Weise unterstützen, entsprechende Sanktionen ergreifen. Ebenso möge die österreichische Bundesregierung in Übereinstimmung mit den Regierungen anderer Mitgliedsländer der Europäischen Union bei den Vereinten Nationen für zweckdienliche Maßnahmen eintreten, damit die Umtriebe des 'Islamischen Staates' ein Ende finden und auch im Irak der Aufbau eines Staatswesens ermöglicht wird, das auf gleichen Rechten für alle Bürger, unabhängig von ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit, basiert. |
Für den 8. August laden die Unterzeichner die österreichischen Christen zu einem "Tag des Fastens und der Fürbitte für die irakischen Christen und für deren muslimische Freunde" ein. Zugleich rufen die Kirchen als Zeichen der Verbundenheit zu Spenden für die österreichische "Initiative Christlicher Orient" (ICO) und "Kirche in Not" auf, "damit den völlig mittellosen Christen, die im kurdischen Autonomiegebiet großzügige Aufnahme gefunden haben, auch materiell geholfen werden kann."
Auch "Justitia et pax" fordert Maßnahmen
Auch "Iustitia et Pax Europa" hat am Montag Maßnahmen gegen die Terrorgruppe "ISIS" gefordert. Die militante Salafisten-Gruppe, die mit mehreren tausend Kämpfern derzeit eine Fläche von der Größe Großbritanniens brutal beherrsche, solle von den EU-Staaten und anderen europäischen Ländern offiziell als terroristische Organisation eingestuft werden, der keinerlei Lieferung von Waffen gewährt werden solle. Jene Gruppen und Staaten, die ISIS unterstützen, sollen öffentlich angeprangert werden, heißt es in der Aussendung des von 31 "Iustitia et Pax"-Kommissionen gebildeten Zusammenschlusses, dem auch die österreichische Kommission für Gerechtigkeit und Frieden angehört. Deren Direktorin, die Wiener Sozialethikerin Ingeborg Gabriel, war an der Stellungnahme maßgeblich beteiligt.
Weitere Ziele, die mit Nachdruck zu verfolgen seien: Druck solle auf die irakische Regierung ausgeübt werden, eine "Politik der nationalen Einheit" zu verfolgen, die eine weitere Desintegration des Irak mit "verheerenden Folgen für die gesamte Region" verhindert. Großzügige humanitäre Hilfe sei allen Regierungen im Mittleren und Nahen Osten zu gewähren, die mit einer großen Anzahl von Flüchtlingen aus Syrien und jetzt aus dem Irak konfrontiert sind. Besonderer Unterstützung und Solidarität bedürften die "brutal verfolgten" Christen; weiters forderte "Iustitia et Pax Europa" die Anerkennung religiöser Verfolgung als Asylgrund innerhalb Europas.
Die Vertreibung der Christen aus Mossul, dem antiken Ninive, sei "schockierend", heißt es in der Stellungnahme weiter. Die meisten Opfer hätten nach dem Ultimatum des von ISIS aufgerufenen Kalifats unter erniedrigenden und gefährlichen Umständen und ohne Hab und Gut nach Kurdistan fliehen müssen. "Einst blühende christliche Gemeinden" und eine der ältesten Kirchen der Christenheit seien damit zerstört worden.
Quelle: Kathpress