Salzburg: "Theologischer Preis" verliehen
Der Theologische Preis der "Salzburger Hochschulwochen" ging heuer an das Brüderpaar Christoph und Michael Theobald. Am Mittwochabend wurde den in Tübingen und Paris lehrenden Theologen der mit 5.000 Euro dotierte Preis zur Würdigung ihres theologischen Gesamtwerkes in Salzburg überreicht.
Der Jesuit Christoph Theobald wurde 1946 in Köln geboren und studierte katholische Theologie in Bonn und Paris. 1978 trat er dem Jesuitenorden bei. Er gilt als einer der führenden Theologen Frankreichs mit den Schwerpunkten Geschichte der Exegese und Dogmengeschichte, Christologie und Phänomenologie. Sein Bruder Michael Theobald, geboren 1948 in Köln, studierte katholische Theologie in Bonn und Münster. Seit 1989 ist er Professor für Neues Testament an der Universität Tübingen. Er hat seit 2009 den Vorsitz des Katholischen Bibelwerks in Stuttgart inne.
Eintreten für Anliegen des Konzils
Der deutsche Theologe und frühere Leiter des Cusanuswerks, Josef Wohlmuth, würdigte das Brüderpaar in seiner Laudatio für deren entschiedenes Eintreten für die Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils. In ihren je unterschiedlichen theologischen Arbeitsbereichen sei es ihr gemeinsames, verbindendes Anliegen, "die christliche Botschaft rational zu durchdringen und in den Lebenswelten von heute zu implementieren".
In ihren Dankesreden gingen die Brüder u.a. auf das Thema der Hochschulwochen - "Europa - Entgrenzungen" - ein. Dabei rief Christoph Theobald dazu auf, ein "neues Verhältnis zu unseren Grenzen" zu entwickeln, das nicht von Ausgrenzungen, sondern von der Idee übergreifender europäischer Gastfreundschaft getragen sei. Dieser letztlich urbiblische Begriff der Gastfreundschaft helfe, so Christoph Theobald, "auf den Begriff des christlichen Abendlandes zu verzichten und das Christliche im entchristlichen Europa zu denken".
Der Exeget Michael Theobald wiederum unterstrich die Bedeutung kontext-sensibler Übersetzungen der biblischen Überlieferung. Schließlich sei Jesus "kein Gesetzeslehrer, sondern eschatologischer Prophet" gewesen. Die "Vielstimmigkeit der Gotteserfahrung" dürfe "nicht in ein widerspruchfreies Konzept überführt werden".
Eine solche Klarstellung habe durchaus auch Folgen etwa für das heute breit diskutierte Thema des kirchlichen Eheverständnisses: Jesus habe "kein ontologisches Eheverständnis" gekannt, so Theobald, vielmehr sei die Paulinische Übersetzung der Lehre Jesu in Form der Entwicklung einer je individuellen, auf die jeweiligen Nöte der Menschen eingehende Scheidungspraxis, durchaus von der biblischen Tradition gedeckt.
Der Theologische Preis der Hochschulwochen wird seit 2006 vergeben. Unter den Trägern früherer Auszeichnungen sind der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper, der katholische Fundamentaltheologe Johann Baptist Metz, der evangelische Kirchenhistoriker Christoph Markschies, der Religionssoziologe Jose Casanova und der Erzbischof von Chieti-Vasto in Italien, Bruno Forte. Erzbischof Forte, der in Tübingen studierte und über Rahner gearbeitet hat, ist u.a. theologischer Sekretär der im Oktober tagenden römischen Sonderbischofssynode zu Ehe-Familie.
"Mythos Europa steht an neuem Anfang" |
Europa steht als "Mythos" und Idee "politisch wie religiös an einem neuen Anfang": Das betonte der Salzburger Theologe und Obmann der "Salzburger Hochschulwochen", Gregor Maria Hoff, in einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche". Auf der einen Seite sei Europa von zahlreichen Spannungen und Verwerfungen geprägt - etwa der territorialen Offenheit und Entgrenzung auf der einen Seite und den "nationalen Identitäten" auf der anderen Seite. Gegen einen europaweit beobachtbaren "Rückzug in nationale Reservate" und auf vermeintlich fixe Identitätsideen müsse man Europa stärker als "diskursiven Raum" begreifen.
Stark sei Europa nicht da, wo es sich ins "nationale Partikulare" zurückziehe und damit zugleich alles Fremde ausgrenze, so Hoff unter Verweis etwa auf den FP-Slogan "Liebe deine Nächsten - für mich sind das die Österreicher". Stark sei Europa vielmehr gerade da, wo die "Integration unterschiedlicher religiöser und kultureller Identitäten" gelinge. Insofern dürfe Europa auch seine eigenen Grenzen nicht geografisch eng ziehen, sondern es sei zur "Überschreitung" und "Entgrenzung" aufgerufen, denn: "Wer die europäische Integration von den Flüchtlingsströmen abkoppelt, die die Grenzen Europas im 21. Jahrhundert definieren, löst das europäische Projekt auf."
Lernen könne Europa dabei u.a. von jenem "Gerechtigkeitspathos für die Armen", das die biblischen Religionen - Judentum, Christentum und Islam - verbinde, so der Theologe weiter. Das Christentum müsse jedoch einen ebensolchen Lernprozess durchmachen, insofern es sich "nicht länger als europäisches Christentum" verstehen dürfe. Vielmehr sei Europa zu einem "ambivalenten religionskulturellen" Raum geworden, in dem Säkularisierungsformen ebenso anzutreffen seien wie neue "religiöse Wachstumsmärkte". Hoff: "Die Kirchen müssen sich darauf einstellen, indem sie ihre eigene Katholizität, nämlich die des Credos im Sinne einer weltweiten und universal offenen Bestimmung von Kirche, leben." Zu akzeptieren gelte es dabei für die Kirchen u.a., "dass der Islam zu Europa gehört".
Der aus Mönchengladbach stammende Theologe Gregor Maria Hoff ist seit 2003 Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Paris-Lodron-Universität Salzburg. Derzeit steht er der Katholisch-Theologischen Fakultät als Dekan vor. Seit 2005 ist Hoff außerdem Obmann der "Salzburger Hochschulwochen" und seit 2009 Direktor des Kardinal König-Instituts der Europäischen Akademie der Wissenschaften. |
Plädoyer für neue europäische Verfassung
Ein solcher neuer verfassungsgebender Akt sei weiters notwendig, da die gegenwärtigen politischen Krisen die Europäische Union zwingen würden, mit einer Stimme zu sprechen. Diese Stimme gebe es derzeit jedoch eigentlich gar nicht, so die Leiterin des "Salzburg Centre of European Studies", schließlich sei Europa geprägt von der Spannung zwischen den unterschiedlichen nationalstaatlichen Ordnungen und den EU-Strukturen.
Unterstrichen wurde die Forderung nach einem neuen Anlauf zur Vertiefung Europas als Friedensprojekt von der Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak. Ein solcher Prozess könne jedoch nicht "top down", also von oben dekretiert verlaufen, sondern müsse von den Bürgern selbst getragen werden. Die viel beschworene europäische Identität müsse dabei stärker als bisher als dynamischer Begriff verstanden werden.
Die "Salzburger Hochschulwochen", die noch bis 3. August dauern, stehen heuer unter dem Titel "Europa - Entgrenzungen". Weitere Vortragende sind der Islamwissenschaftler Nicolai Sinai und der Religionssoziologe Karl Gabriel. Den Abschluss der Hochschulwoche bilden ein Festgottesdienst mit Erzbischof Franz Lackner am 3. August um 8.30 Uhr im Salzburger Dom und der anschließende Festvortrag des früheren tschechische Außenministers Karel Schwarzenberg.
Webtipp: www.salzburger-hochschulwochen.at