Caritas fordert "Nationalen Aktionsplan Demenz"
Angesichts von 120.000 Demenzkranken in Österreich und bis zu 290.000 Betroffenen im Jahr 2050 nimmt die Caritas die Bundesregierung in die Pflicht: In einer Aussendung am Montag im Vorfeld des Welt-Alzheimertages am 21. September erinnern Caritas-Präsident Michael Landau und Patientenanwalt Gerald Bachinger die Regierung an die im Koalitionsabkommen versprochene "Demenz-Strategie". Davon fehle bisher jede Spur, trotz des unter Fachleuten unbestrittenen steigenden Betreuungs- und Pflegebedarfes. Landau und Bachinger halten einen "Nationalen Aktionsplan Demenz" nach Schweizer Vorbild für dringend erforderlich.
Fünf Prozent der österreichischen Bevölkerung sind heute älter als 80 Jahre, 2050 werden es 11,5 Prozent, verwies Landau auf dann rund eine Million betroffene Menschen. Die Versorgung von Menschen mit Demenz werde "eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft" werden. Schon heute seien Demenzerkrankungen der häufigste Grund für Pflegebedürftigkeit, forderte der Caritas-Präsident entsprechende sozial- und gesundheitspolitische Vorkehrungen: "Doch die Bundesregierung ist weit davon entfernt, im Sinne der Betroffenen und ihrer Angehörigen Antworten auf die drängendsten Fragen zu liefern."
Bereits im Jänner 2011 hatte das Europäische Parlament den Europäischen Rat aufgefordert, Demenz zu einer gesundheitspolitischen Priorität der EU zu erklären. Viele Länder besitzen bereits eine nationale Strategie - nicht so Österreich, heißt es bedauernd in der Aussendung.
"Vermutlich die teuersten Erkrankungen"
Laut Patientenanwalt Bachinger sind Demenzerkrankungen "vermutlich die teuersten Erkrankungen des höheren Lebensalters". Und es seien Erkrankungen, die Angehörige am meisten belasten - "vor allem psychisch, aber auch mit einem Großteil der Kosten für Betreuung und Pflege". 120.000 Betroffene und ihre Angehörigen "dürfen nicht ins Abseits und nicht in Vergessenheit geraten", sind sich Bachinger und Landau einig.
Bei dem von den beiden favorisierten Schweizer Modell legten Bund und Kantone Handlungsfelder und Ziele fest, um die Lebensqualität der Betroffenen konkret zu verbessern, Belastungen zu verringern und die Qualität der Versorgung zu garantieren. Landau forderte vor diesem Hintergrund für Österreich Verbesserungen in den Bereichen Diagnostik, Finanzierung und Datenlage ein. Aufgabe der Bundesregierung sei es, "eine am Menschen orientierte Pflege sicherzustellen - und zwar für Jeden und Jede, auch für sozial Schwache", betonte Landau.
Zuallererst müsse das Pflegegeld endlich erhöht werden, dessen Wertverlust im Vergleich zur Einführung bereits knapp 30 Prozent betrage. "Für Menschen, die dringend Pflege benötigen, ein unhaltbarer Zustand", befand Landau. Außerdem gelte es die Pflegegeldeinstufung von Demenzkranken im Sinne der Betroffenen zu reformieren; der jetzige "Erschwerniszuschlag" habe sich aus der Sicht der Caritas als "völlig ungeeignet" erwiesen.
Pflegende Angehörige entlasten
Landau betonte in diesem Zusammenhang, dass knapp 80 Prozent der 440.000 Pflegegeld-Bezieher in Österreich zu Hause von Angehörigen, Freunden und Nachbarn betreut und gepflegt werden. "Diese Angehörigen sind die eigentlichen Pflegekräfte der Nation - der größte und wichtigste Pflegeanbieter im Land", sagte der Caritas-Chef. Doch sie benötigten dringend leistbare Entlastungs- und Unterstützungsdienste. Die Caritas biete hier zahlreiche Angebote an. "Doch alleine können wir diese Herausforderung nicht bewältigen." Für betreuende und pflegende Angehörige müsse im Pflegefondsgesetz ein rechtlicher Anspruch auf vielfältige Unterstützungs- und Entlastungsangebote geschaffen werden. "Ansonsten treiben wir pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige in die Isolation", warnte Landau.
Erforderlich seien auch Investitionen in die Pflege- und Sozialbetreuungsberufe. Ein großer Hemmschuh dabei ist laut Erfahrungen der Caritas, dass für jede Änderung im Bereich der Sozialbetreuungsberufe neun Landtage und ein Nationalrat Verträge ratifizieren müssen. "Stillstand" sei die Folge. Statt dringend benötigte Berufe "umzubringen", solle eine einheitliche Bundeskompetenz für das Berufsrecht der Sozialbetreuungsberufe geschaffen werden.
Die Caritas macht im Rahmen eines Schwerpunkts im September auf aktuelle Themen rund um das Thema Pflege und Demenz aufmerksam; als Sponsor betätigt sich dabei die Wiener Städtische Versicherung.
Quelle: kathpress