Grenzkontrollen: "Verrat an europäischer Idee"
Grenzkontrollen innerhalb der EU gegen den wachsenden Flüchtlingszustrom wären ein "Verrat an europäischer Idee": Das hat der Innsbrucker Caritasdirektor Georg Schärmer gegen jüngste Vorstöße in diese Richtung vor allem aus den Reihen der Landeshauptleute ins Treffen geführt. In der Freitagausgabe der "Tiroler Tageszeitung" (TT) äußerte er Unverständnis über diese Politik: "Da sind wir einerseits froh, dass in Europa die Grenzbalken gefallen sind, und bei der ersten großen Herausforderung rufen wir sofort wieder nach einer Grenzpolizei." Eine "Politik der Abschottung" sei abzulehnen, so Schärmer.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sowie die Landeshauptmänner Erwin Pröll (Niederösterreich), Josef Pühringer (Oberösterreich) und Hans Niessl (Burgenland) hatten zuletzt auf Grenzkontrollen als flüchtlingspolitische Option gesetzt; auch Tirols Landeschef Günther Platter bekundete laut TT, "punktuell notfalls dafür" zu sein.
Sympathie äußerte Schärmer dagegen für die Ansicht des EU-Parlamentariers Othmar Karas, wonach Grenzschließungen die Probleme nur auf Kosten anderer verschieben würden. Zu lösen wäre das Ungleichgewicht nur durch ein faires europäisches Aufteilungssystem, ist sich der Caritasdirektor mit dem Europapolitiker einig. Schärmer hält die Flüchtlingsproblematik bei entsprechendem politischen Willen für lösbar. Im Vergleich zu den Migrationsbewegungen in der Dritten Welt sei die Größenordnung in Europa noch überschaubar.
Eine Absage an verschärfte Grenzkontrollen hatte zuletzt auch der Generalsekretär der Caritas Österreich, Bernd Wachter, in einem "Kathpress"-Gespräch erteilt: "Es gilt nicht die Grenzen zu schützen, sondern die Flüchtlinge." Wachter bezeichnete Grenzkontrollen als "puren Populismus", zumal auch rechtliche Bestimmungen dagegen stünden: Laut Genfer Flüchtlingskonvention dürfen Flüchtlinge nicht ohne behördliches Verfahren an den Grenzen zurückgewiesen werden, und auch das Schengener Abkommen zur Abschaffung der stationären Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen würde verletzt.
Schärmer: "Keine Ängste schüren"
Der Tiroler Caritas-Chef Schärmer betonte, alle seien gefordert, "dass keine Ängste geschürt werden". Er forderte, dass Österreich, das statt des versprochenen Ziels von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe nur 0,2 Prozent erreicht, den Fehlbetrag für Flüchtlinge in Österreich aufwendet.
Solidarität mahnte Schärmer für die illegal nach Tirol eingereisten Flüchtlinge aus Syrien und Afrika ein. Erst am Donnerstag griffen Polizisten in zwei Zügen wieder 40 Personen auf, großteils aus Syrien, Eritrea und Palästina, wie die TT berichtete. Etwa 30 davon, darunter Frauen und Kinder, seien aber am selben Tag wieder nach Italien zurückgeschoben worden. Von den 2014 angehaltenen 4700 Flüchtlingen hätten lediglich 300 einen Asylantrag in Österreich gestellt. "Vielleicht sollten wir den meist traumatisierten und verängstigten Menschen eine Verschnaufpause gönnen und sie nicht gleich wieder abschieben", meinte Schärmer.
Die Tiroler Caritas habe im Vorjahr 106 Wohnungen für Familien mit Asylstatus bereitgestellt, heuer wurden bereits 59 Wohnungen für 112 Personen gefunden und vermittelt. Derzeit betreut die Caritas der Diözese Innsbruck 282 Personen außerhalb von Flüchtlingsheimen.