Konträre Synodenbilanz: Kritik und Dynamik
Deutschlands Kardinäle bewerten die Bischofssynode erwartungsgemäß höchst unterschiedlich. Kardinal Joachim Meisner übte am Donnerstag Kritik, Kardinal Reinhard Marx sprach hingegen von Öffnung und Bewegung nach jahrzehntelangen Blockaden.
Im Zentrum von Meisners Kritik steht, dass keine Vertreter des römischen "Pontificio Istituto Santo Giovanni Paolo II per Studi su Matrimonio e Famiglia" (Päpstliches Institut Hl. Johannes Paul II. für Studien über Ehe und Familie) in den Vorbereitungsgremien oder in den Beratungsgremien während der Synode dabei gewesen seien. "Der heilige Papst Johannes Paul II. wurde unbegreiflicherweise gleichsam von den Vorbereitungsgremien der Synode ausgeschlossen", schreibt der emeritierte Kölner Erzbischof in einem Kommentar für die in Bayern erscheinende katholische Zeitung "Die Tagespost". Sein Beitrag endet mit den Worten: "Die Stimme des Volkes Gottes war nicht erwünscht und scheint darum auch nicht gehört worden zu sein."
Meisner betont, dass das lange Pontifikat von Johannes Paul II. (1978 - 2005) "theologisch und pastoral wesentlich akzentuiert von seiner Theologie von Ehe und Familie" gewesen sei. "Gott sei Dank" - so Meisner wörtlich - hätten jedoch viele Bischöfe als Synodale die vom heiligen Papst Johannes Paul II. eingebrachten "theologischen Grunddaten über Ehe und Familie in der Synode zur Sprache gebracht".
Zugleich betont Meisner, dass die Kontinuität in der Lehrverkündigung immer "die Garantie und die Solidität unseres Glaubens" sei. Auch wenn bei der Synode manche Teilnehmer mehr von der Lehre und wieder andere mehr vom Leben ausgegangen seien, dürfe niemand vergessen, "dass der Glaube gelebte Lehre ist! Deshalb ist auch nicht vorstellbar, dass man nur die Praxis verändern möchte, aber nicht die Lehre."
Die Vaticanisti der Zeitungen "L'Espresso", "First Things", "National Catholic Register" hatten vor der Synode darauf aufmerksam gemacht, dass in der vom Vatikan Anfang September veröffentlichten Liste der Synodenteilnehmer Mitglieder des von Johannes Paul II. gegründeten "Pontificio Istituto" in "auffälliger Weise abwesend" geblieben seien. Sie erwähnten insbesondere die von Johannes Paul II. aus Polen nach Rom geholten Philosophen Stanislaw Grygiel und Ludmila Grygiel, die "an der Tür klopfen, aber nicht hineingelassen" würden.
Für medialen Wirbel sorgte auch, dass wenige Tage vor Beginn der Weltbischofssynode ein Buch mit Aufsätzen von fünf Kardinälen, darunter der frühere "Pontificio Istituto"-Chef Carlo Caffarra, erschienen war, das als Plädoyer für ein Festhalten am Ausschluss von wiederverheirateten Geschiedenen vom Kommunionempfang und als Kritik an der Position des vom Papst geschätzten Kardinals Walter Kasper gilt. Dieser plädiert - im Gegensatz zu den fünf Kardinälen - für eine Wiederzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion, jedoch unter bestimmten, eng gefassten Bedingungen.
Marx: "Bisher unverhandelbar gewesen"
Kardinal Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, verteidigte in einem Beitrag für die Hamburger "Zeit" (Donnerstag) die Entscheidung des Papstes zu einer transparenten Synode. Allein in den vergangenen ein bis zwei Jahren habe sich in der Kirche viel getan, sagte der Münchner Erzbischof. Viele Themen, über die während der Weltbischofssynode im Vatikan diskutiert wurde, seien "bisher unverhandelbar" gewesen.
Ihm selbst sei schon vor der Reise nach Rom bewusst gewesen, dass die Verhandlungen nicht einfach werden würden. "Eine Synode ist ein Auf und Ab", so Marx. Kompromisse gehörten dazu, aber: "Auf die Richtung kommt es an!" Die deutsche Diskussionslage habe sich im Zwischenbericht zur Halbzeit der Synode durchaus widergespiegelt.
Den Abschlussbericht bezeichnete Marx als "Kompromisstext", der Ausgangspunkt für weitere Diskussionen sein solle. Dafür wünsche er sich "unbedingt" die Einmischung der Gläubigen in Deutschland.
Ein "Aha-Erlebnis" sei für ihn gewesen, dass die Kirche in Deutschland und Europa nicht alleine mit ihren Problemen sei. "Es ist ja in den letzten Jahren durchaus insinuiert worden, ein anderer Umgang mit Wiederverheirateten oder mit Homosexuellen sei ein Phänomen des dekadenten Westens, und in der Weltkirche spielten diese Anliegen keine Rolle."
Im Gespräch mit Kollegen aus Asien und Afrika habe er gemerkt, dass das nicht der Fall sei. Diese Themen seien "nicht erledigt", betonte Marx.
Der Kardinal warnte davor, den "Aufbruch in der Kirche" dafür zu missbrauchen, "nur Mehrheiten fürs eigene Lager zu organisieren". Wer jetzt so handle, habe "den Geist dieses Papstes nicht verstanden". Franziskus habe sich "mit seinem ganz eigenen Zutun und Mut auf den Weg gemacht". Der Papst wolle Bewegung und wisse genau, was er tue, betonte Marx.
Kasper: Nichts blockiert
Kurienkardinal Walter Kasper sagte in der Berliner "Welt" (Donnerstag), die Debatte über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexuellen werde in aller Offenheit weitergeführt. "Es ist nichts blockiert", beurteilte Kasper das Diskussionsklima nach der Synode. "Ich bin überzeugt, dass wir am Ende einen breiten Konsens erzielen und einen Schritt auf die Homosexuellen zumachen", so Kasper weiter. Ähnliches gelte für die wiederverheirateten Geschiedenen.
Verwundert zeigte sich der 81-Jährige über das Abstimmungsverhalten einiger Mitbrüder bei der Verabschiedung des Schlussdokuments der Synode. In dem Entwurf hieß es, dass Homosexuellen mit "Achtung und Takt" begegnet werden solle. Eine "ungerechte Diskriminierung" dürfe es nicht geben. Dass Teilnehmer des Bischofstreffens gegen diese Formulierung votierten, die sich in ähnlicher Weise im Weltkatechismus findet, nannte Kasper schwer nachvollziehbar. "Einige wollten wohl weitergehenden Diskussionen vorbeugen."
Während der Synode sei durchaus heftig gestritten worden, bekannte Kasper. Dies sei aber schon beim Konzil so gewesen und habe der Kirche nicht geschadet. Allerdings habe sich die Medienlandschaft seither verändert und den emotionalen Druck auf manche Teilnehmer erhöht. Das sei der Sache nicht immer dienlich gewesen. "Es hat in den letzten Wochen unschöne öffentliche Äußerungen gegeben, keine Frage", so Kasper. "Wir haben uns am Schluss aber alle die Hand gegeben."
Auf die Frage, welche Position Papst Franziskus einnehme, antwortete Kasper, Franziskus wolle alle Seiten hören. "Welche Entscheidungen er genau bei der Familienethik fällen wird, weiß ich natürlich nicht. Aber nach meiner Einschätzung will er nach vorne gehen."