Sonntagsallianz: Front gegen "Tourismuszonen"
Ein klares Nein zur Schaffung von "Tourismuszonen", in denen die Wiener Wirtschaftskammer Sonntagsarbeit ermöglichen will, haben am Donnerstag Vertreter aus Zivilgesellschaft, Gewerkschaft und Kirchen bei einer Wiener Tagung zum Thema "Recht auf Sonntag" gegeben. Die derzeit laufende Diskussion zeuge von reiner "Profitgier" und werde "auf den Rücken der Arbeitnehmer" ausgetragen, betonte der Vizepräsident der Arbeiterkammer (AK) Wien, Willibald Steinkellner bei der gemeinsamen Veranstaltung der "Allianz für den freien Sonntag", der Arbeiterkammer (AK) Wien und der Gewerkschaft GPA-djp. Die Wirtschaftskammer hatte die Einladung zum Dialog laut Angaben der Sonntagsallianz ausgeschlagen und blieb fern. Aus den Kirchen nahm u.a. der Linzer Bischof Ludwig Schwarz teil.
Geschlossen hätten alle Fraktionen der AK Wien in ihrer Vollversammlung am Mittwoch die Tourismuszonen abgelehnt, berichtete Franz Georg Brantner als Sprecher der Sonntagsallianz. Dass Tourismuszonen und Sonntagsarbeit außer Handelsangestellte auch andere Berufsgruppen in Mitleidenschaft ziehen würden, betonte die Wiener Landessekretärin der Gewerkschaft vida, Barbara Schröding. Ohnehin würde Sonntagsöffnung jedoch nur Umschichtungen statt mehr Konsum bringen, "die Menschen haben ja deshalb nicht mehr Geld zur Verfügung".
Der Linzer Bischof und Sonntagsallianz-Vorsitzende Ludwig Schwarz erklärte, heute brauche es "statt mehr Flexibilität mehr verlässliche Zeit, die Menschen individuell und in Gemeinschaft mit anderen bedingungslos zur Verfügung stellt". Kulturübergreifend habe sich der Sonntag als Zeit etabliert, "in der man vom Hamsterrad der Arbeit ausbrechen darf", so der Bischof. Der "verzweckungsfreie" Tag gebe aus kirchlicher Sicht Zeit für Gott und die Mitmenschen und erlaube es, "einfach Mensch zu sein, unabhängig von materiellem Besitz oder beruflicher Position". Gleichzeitig gehe es beim Sonntag auch um das gesellschaftliche Gemeinwohl, sei er doch "Zeichen und Symbol des gesellschaftlichen Zusammenhalts".
"Hoffnungssignale" der EU
Die EU müsse bei der Sonntagsarbeit aktiv werden, forderte der Leiter des ÖGB-Europabüros in Brüssel, Oliver Röpke, der von einer klaren Tendenz weiterer Liberalisierung der Arbeitszeiten berichtete. Seit 1994 habe sich die Zahl der Beschäftigten, die regelmäßig am Sonntag arbeiten müssen, um fast 60 Prozent erhöht, ähnlich wie bei anderen atypischen Arbeitszeiten wie Nacht- oder Schichtarbeit. Seit Anfang der 1990er-Jahre bestehe massiver Druck einer Deregulierung der Arbeitszeitrichtlinie, und längst seien die vier im Lissabon-Vertrag festgeschriebenen Grundfreiheiten des Marktes zur "Ersatzreligion" geworden, der alles untergeordnet werde.
Mit der neuen EU-Kommission bestehe Hoffnung auf neue Vorzeichen für die Diskussion der Arbeitszeitrichtlinie, für die 2015 die Konsultation ausstehe, so Röpke, der auch die Allianz für den freien Sonntag zur aktiven Beteiligung aufrief. Jüngste Studien würden den freien Sonntag argumentativ stärken: So erhöhe regelmäßige Sonntagsarbeit etwa das Risiko eines Arbeitsunfalls um 30 Prozent, und auch die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen sinke messbar. Überall in Europa zeige sich zudem, dass Unternehmen nicht mehr bereit für Wochentagszuschläge seien, sobald Sonntagsarbeit einmal zur Regel geworden ist.
40 EU-Parlamentarier hätten bereits ihre Unterstützung für den freien Sonntag erklärt, berichtete der deutsche Volkswirt Hannes Kreller von der Katholischen ArbeitnehmerInnen-Bewegung Deutschland. Derzeit werde eine parteienübergreifende "interest group" innerhalb des Parlaments vorbereitet und Kontakte zu Vertreter der Gesundheitssysteme gesucht.
Schon jetzt arbeiten 722.000 Menschen in Österreich - deutlich mehr als die Hälfte davon Frauen - regelmäßig am Sonntag, geht aus den letzt verfügbaren Daten aus dem Jahr 2012 hervor.
Quelle: Kathpress