Pastoraltheologe Paul Zulehner wird 75
Der Wiener Pastoraltheologe em. Prof. Paul M. Zulehner wird am 20. Dezember 75 Jahre alt. Der frühere Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien untersucht seit Jahrzehnten gesellschaftliche Entwicklungen, kommentiert sie im Licht des Glaubens und leitet daraus Handlungsimpulse für die Kirche und die Seelsorge ab. Gleichzeitig ist Zulehner eines der prominentesten "medialen Gesichter" der Kirche. Bekannt für seine pointierten Formulierungen und die Fähigkeit, Theologie auch der breiten Öffentlichkeit anschaulich zu präsentieren, tritt er häufig als Kommentator sozialer, religiöser und kirchlicher Entwicklungen auf.
Bis zu seiner Emeritierung hatte Zulehner 24 Jahre lang den weltweit ältesten Lehrstuhl für Pastoraltheologie an der Universität Wien inne. Seine wissenschaftliche und publizistische Tätigkeit strahlt weit über die Grenzen Österreichs aus; seine besondere Sorge gilt der Unterstützung der Kirche in Ostmittel- und Osteuropa und dem Dialog der Religionen.
Zulehner wurde am 20. Dezember 1939 in Wien geboren, er studierte in Innsbruck, Wien, Konstanz und München Philosophie, katholische Theologie und Religionssoziologie. Bereits als 22-jähriger promovierte er in Innsbruck beim Sozialethiker P. Johannes Schasching SJ zum Doktor der Philosophie. Seine Dissertation aus dem Jahr 1961 trug den auch heute ungebrochen aktuell wirkenden Titel "Religion ohne Kirche?". 1964 wurde er in Wien zum Priester geweiht, zwei Jahre später folgte in Innsbruck das theologische Doktorat mit einer Arbeit über Kirche und Austromarxismus. Ende der 1960er-Jahre war Zulehner in die Leitung des Wiener Priesterseminars eingebunden. 1973 habilitierte er sich beim Würzburger Pastoraltheologen Rolf Zerfaß mit einer Studie über Säkularisierung.
Über die Stationen Bamberg und Passau führte Zulehners Weg an die Universität Wien, wo er von 1984 bis zum Herbst 2008 den Lehrstuhl für Pastoraltheologie innehatte. Von 2000 bis 2007 war er zudem Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät.
Von 1985 bis 2000 war Zulehner auch theologischer Berater beim "Rat der Europäischen Bischofskonferenzen" (CCEE). Vor 25 Jahren gründete er das "Pastorale Forum zur Förderung der Kirchen in Ost(mittel)europa", 1994 die Arbeitsstelle für kirchliche Sozialforschung. Zulehner ist Mitglied der Europäischen und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie Beirats-Mitglied des oberösterreichischen Think Tanks Academia Superior. Für seine Forschungen wurde er mit dem "Kunschak"-, dem "Renner"- und dem "Innitzer"-Preis ausgezeichnet.
"Autobiografisches anderer Art" in Buchform
Bis heute ist Paul Zulehner als Vortragender und Autor hoch aktiv. Seine letzten beiden Buchveröffentlichungen tragen die Titel "Gleichstellung in der Sackgasse. Frauen, Männer und die erschöpfte Familie von heute" (Styria 2014) und "Mitgift" (Patmos 2014). In letzterem band legte der Wiener Theologe "Autobiografisches anderer Art" - so der Untertitel - vor. Er gibt darin Einblick in die zwei Aspekte seines Lebens, wie Zulehner auf seiner Website erläutert: Arbeiten und Lieben. Leser gewinnen Einblick in "erlebte Kirchengeschichte" und darin, "wofür ich pastoraltheologisch heute stehe und wie sich meine Positionen entwickelt haben". Auch "Unbekannt-Hintergründiges" verspricht der Autor.
Zum Titel "Mitgift" schreibt Zulehner, obwohl er in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt Anlass hatte, sich über Ereignisse zu "giften", hüte er sich, in seinen Schilderungen "selbst giftig zu sein". In dunklen Zeiten der Kirche habe ihn ein Ausspruch Karl Valentins aus der NS-Zeit getröstet: "Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es jetzt schon ist." Doch in den letzten Monaten hätten ihn, so Zulehner, ohnmächtige Kirchengefühle gänzlich verlassen. "Der Grund hat einen Namen und ein lateinamerikanisches Gesicht: Franziskus, Bischof von Rom."