Argument leer stehender Pfarrhöfe "ist polemisch"
Kritisch haben Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche auf die Einschätzung von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner reagiert, in Kirchengebäuden gebe es noch Unterbringungspotenzial für Flüchtlinge. Sie werde immer wieder auf leer stehende Pfarrhöfe angesprochen, und die Kirche würde dort zwar immer wieder Flüchtlinge aufnehmen; dies seien jedoch "leider nur ganz seltene, dafür umso erfreulichere Ausnahmen". Michael Prüller, Kommunikations-Chef der Erzdiözese Wien, nannte das Pfarrhof-Argument gegenüber dem "Standard" (Montag-Ausgabe) "polemisch, denn so viele leerstehende Pfarrhöfe gibt es gar nicht". Wenn in einem Ort kein Pfarrer mehr lebe, "sind die Gebäude vielfach vermietet oder verkauft", erklärte Prüller.
In den aktiven Pfarren dagegen geschehe bereits einiges. So zum Beispiel in Mödling sowie in sieben Vorarlberger Pfarren, wo überall Asylwerber aufgenommen worden seien. Im Kloster St. Gabriel in Maria Enzersdorf würden sogar gleich 150 Kriegsflüchtlinge aus Syrien betreut.
"In Österreich steht keine einzige protestantische Pfarre leer", relativierte auch Diakonie-Direktor Michael Chalupka die Behauptung der Innenministerin. Die in die Flüchtlingsbetreuung involvierten Hilfsorganisationen Diakonie und Caritas würden zusammengenommen derzeit 4.050 Grundversorgungsplätze zu Verfügung stellen, 560 mehr als noch im Sommer. Chalupka verärgert im "Standard": Statt "in der Vorweihnachtszeit mit dem Finger auf andere zu zeigen" brauche es vielmehr "eine langfristige staatliche Unterbringungsstrategie" und "die dazu notwendigen Finanzmittel".
Tagsatz für Grundversorgung erhöhen
Klaus Schwertner, der Generalsekretär der Wiener Caritas, konkretisierte diese finanzielle Forderung: Der Basis-Tagsatz für die Grundversorgung von derzeit 19 Euro pro Asylwerber solle nicht erst - wie von der Regierung geplant - im Jänner 2016 auf 20,50 Euro erhöht werden, sondern schon 2015. Dann werde es wohl allgemein mehr Unterbringungsangebote geben, so Schwertner.
Der Bedarf nach Plätzen ist groß, wie es aus dem Innenministerium heißt: Bis Jahresende werde man 1.000, bis Mitte Jänner 2.500 zusätzliche Plätze brauchen, um alle neu in Österreich um Schutz Ansuchenden, darunter viele Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, unterzubringen, teilte ein Ministeriumssprecher mit. Deshalb habe Mikl-Leitner am Sonntag in der "Presse" einen Quartier-Appell an die Österreichische Bischofskonferenz und "an alle Kirchen" gerichtet.