Ethikunterricht als verpflichtende Alternative
Das von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner eingemahnte Gespräch aller Bildungsverantwortlichen über die Weiterentwicklung des Religionsunterrichts "ist notwendig und sollte möglichst bald beginnen": Mit diesen Worten hat der Grazer Religionspädagoge Wolfgang Weirer am Montag den Ball aufgegriffen, den der ÖVP-Parteiobmann am Vortag in einem "Kleine Zeitung"-Interview ins Rollen gebracht hatte. Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sollten an einem Ethikunterricht teilnehmen müssen, dessen Thema u.a. Religionen sowie Wertschätzung diesen gegenüber sind, so Weirer in seiner Stellungnahme.
Mitterlehner hatte zuvor Ethikunterricht als mögliche Alternative für jene genannt, die sich gegen einen Religionsunterricht entscheiden. Gleichzeitig solle man Religionslehrer verpflichten, die wertschätzende Darstellung anderer Religionen zu forcieren, "um Feindbildern vorzubeugen".
Zum Thema Ethikunterricht wies der an der Grazer Uni lehrende Religionspädagoge Weirer darauf hin, dass dieser bereits in mehr als 200 Schulversuchen seit langem erprobt werde. Dass der Ethikunterricht in Österreich bisher nicht über das Schulversuchsstadium nicht hinausgekommen ist, "ist beschämend", so der Vizedekan der Grazer Katholisch-Theologischen Fakultät.
Eine "wertschätzende interreligiöse Bildung" hält auch Weirer für begrüßenswert - und betont zugleich, dass diese an vielen Schulen bereits geleistet werde: Religionslehrer trügen Wesentliches zu einem wertschätzenden Klima in Bezug auf andere Religionen und Kulturen bei. Die "interreligiösen Kompetenzen" von Religionslehrern könnten in Aus- und Fortbildung jedoch weiter gestärkt werden.
Nicht nur Lernen "über", auch Lernen "mit anderen"
Zugleich hob der Theologe hervor, dass Respekt anderen gegenüber nicht nur durch ein Lernen "über" andere Religionen zu erreichen sei. Es brauche auch das Lernen "mit anderen" Religionen. Weirer sprach sich für konkrete Begegnungen von Christen, Muslimen, Juden - und von konfessionslosen Schülern - aus. Solche interreligiösen Begegnungen sollten verpflichtend in die Lehrpläne für den Religionsunterricht aller Religionen und Konfessionen aufgenommen werden.
Darüber hinaus regte Weirer eine "gemeinsame Kraftanstrengung" der Bildungsverantwortlichen, der in den Religionen Zuständigen sowie der Verantwortlichen in der Aus- und Fortbildung der Lehrer an. Das Ziel dabei: "Es müssen gemeinsame Standards religiöser Bildung für den katholischen, evangelischen, orthodoxen, jüdischen und islamischen Religionsunterricht (sowie dem anderer Religionen) in der österreichischen Schule etabliert werden."
Weirer befürwortet auch, dass möglichst bald gemeinsame und dialogorientierte Ausbildungsteile für zukünftige Religionslehrer etabliert werden: Wer bereits im Studium zukünftigen Religionslehrerkollegen anderer Glaubensrichtungen begegne, werde auch in der schulischen Praxis eine gesprächsbereite Haltung zeigen.