"Kronjuwel der Nächstenliebe"
Das Haus der Barmherzigkeit ist "ein Kronjuwel der institutionalisierten Nächstenliebe": Das betonte Weihbischof Franz Scharl am Donnerstagabend bei einem Festakt zum 140. Geburtstag der Wiener Pflegeeinrichtung. Zu der Feier waren hochrangige Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft in das geriatrische Pflegekrankenhaus in Wien-Ottakring gekommen. Die Festrede hielt der US-amerikanische Schriftsteller Frederic Morton - ein gebürtiger Wiener, der 1939 als 15-Jähriger mit seiner jüdischen Familie in die USA emigrieren musste.
Weihbischof Franz Scharl
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Das Haus der Barmherzigkeit sei seit 140 Jahren ein Ort, an dem jeder willkommen ist, hieß es in einer vom Wiener Weihbischof überbrachten Grußbotschaft von Kardinal Christoph Schönborn. Da es den Menschen trotz Krankheit, Behinderung oder Armut zur Seite stehe, stehe es in einzigartiger Weise für die Botschaft Jesu und kennzeichne auch den Weg, den sich Papst Franziskus für die Kirche wünsche.
Der 91-jährige Frederic Morton würdigte das Haus der Barmherzigkeit mit einem Text, in dem er das "Exil des Alters" mit seinem Exil nach der Flucht in die USA verglich. Zwar sei der Schock nach der Vertreibung aus Wien heftiger gewesen, an das Altsein könne man sich aber nie richtig gewöhnen: "Man denkt noch, man ist 19, dabei ist man schon 90", so der in New York lebende Schriftsteller. Doch der Alltag werde mühsamer, "die Distanzen größer, die Stiegen höher", so Morton. Es sei wichtig, dass es vorbildliche Einrichtungen wie das Haus der Barmherzigkeit gibt, in denen auf geduldige und hilfsbereite Weise auch 90-Jährigen noch fast jeder Wunsch erfüllt werde.
Steigende Lebenserwartung - mehr Pflegebedarf
Laut dem Institutsdirektor des Hauses der Barmherzigkeit, Christoph Gisinger, soll anlässlich des Jubiläums nicht nur zurückgeschaut, sondern auch die Zukunft in den Blick genommen werden. Um den Bewohnern der vielen Einrichtungen weiterhin die bestmögliche Betreuung zu bieten, müsse sich das Haus kontinuierlich weiterentwickeln. Die Medizin mache rasante Fortschritte, die Lebenserwartung sei heute beträchtlich höher als im Gründungsjahr 1875, wo Wiener durchschnittlich nur 35 Jahre alt wurden.
Christoph Gisinger anlässlich des Jubiläums
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Das Haus der Barmherzigkeit stehe seit 140 Jahren nicht nur für ausgezeichnete Betreuung, sondern auch für Lebensqualität trotz chronischer Erkrankungen. "Durch die steigende Lebenserwartung werden wir in Zukunft zwar länger leben und gesünder alt werden - die Alterung der Gesellschaft führt aber auch dazu, dass mehr Menschen Pflegeleistungen benötigen."
An ein düsteres Kapitel in der 140-jährigen Geschichte machte der Direktor dann doch aufmerksam: Während der Nazi-Diktatur seien im enteigneten Haus der Barmherzigkeit "Menschen als unwertes Leben ermordet worden - so etwas darf sich nie mehr wiederholen".
Für die Wiener Stadträtin Sonja Wehsely bemisst sich der Wert einer Gesellschaft vor allem am Umgang mit ihren schwachen und an den Rand gedrängten Mitgliedern. Dabei dürfe Geld keine Rolle spielen. "Gute Betreuung ist nicht etwas, um das man bitten muss, sondern ein Recht jedes einzelnen", umschrieb Wehsely einen Auftrag an Politik und Gesellschaft. "Jeder in den Pflegebereich investierte Cent ist gut", so die Wiener Stadträtin für Gesundheit und Soziales. Sie lobte die Zusammenarbeit mit dem Haus der Barmherzigkeit und äußerte Zuversicht, dass dies auch in Zukunft so bleiben werde.
Stadträtin Sonja Wehsely
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140 Jahre Erfolgsgeschichte
Das Haus der Barmherzigkeit geht auf die "Bruderschaft zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit" zurück, die im 19. Jahrhundert von Franz Eipeldauer gegründet wurde. Die Hauptaufgabe sah man in der Führung eines Hauses für "arme, verlassene, schwer- und unheilbar Kranke unabhängig von Glaubensbekenntnis und Nationalität". Zur Betreuung gewann Eipeldauer den Orden der "Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul". Das erste Haus wurde 1875 mit 22 Betten in der Vinzenzgasse im Bezirk Währing gegründet. Schon die Gründer ließen die Bewohner auch medizinisch versorgen und wurden damit Vorbild für viele ähnliche Einrichtungen.
Im Jahre 1906 prägte der Arzt Ignatius L. Nasher den Begriff "Geriatrie" auch am Beispiel "Haus der Barmherzigkeit". Daher kann das Wiener Haus als Geburtsstätte der Geriatrie betrachtet werden. Heute betreut die private, gemeinnützige Einrichtung in fünf Pflegekrankenhäusern bzw. Pflegeheimen, vier Basalen Tageszentren und 14 Wohngemeinschaften rund 1.300 hochbetagte, chronisch kranke und mehrfach behinderte Bewohner in Wien und Niederösterreich. (Informationen: www.hausderbarmherzigkeit.at)