Nicht aus Bewusstsein Österreichs streichen
Das Schicksal der Armenier darf nicht aus dem öffentlichen Bewusstsein in Österreich gestrichen werden. Das war der allgemeine Tenor auf dem Gedenksymposium "Der geleugnete Genozid: 100 Jahre nach dem Völkermord an den Armeniern", das am Freitag im Wiener Otto-Mauer-Zentrum stattfand. Referenten waren die Armenologin Jasmine Dum-Tragut, der türkischstämmige Professor Aho Shemunkasho vom Institut für Patristik und Kirchengeschichte der Universität Salzburg sowie der Journalist und ehemalige ORF-Türkeikorrespondent Christian Schüller. Veranstaltet wurde das Symposium vom katholischen Akademikerverband in Kooperation mit der Stiftung Pro Oriente.
Man sei erstaunt gewesen, dass es rund um diesen Jahrestag seitens des offiziellen Österreichs keinerlei inhaltliche Veranstaltungen gebe, die sich mit dem Thema auseinandersetzten. Deswegen habe man beschlossen, ein Symposium im Gedenken an die bis zu 1,5 Millionen ermordeten Armenier und 500.000 Christen syrischer Tradition zu organisieren, hieß es von Veranstalterseite.
Unter dem Titel "Im Schatten des Halbmonds" referierte die Armenologin Jasmine Dum-Tragut über den historischen Hergang des Genozids von 1915, dessen Wurzeln bis weit in 19. Jahrhundert zurückreichen. So habe sich die Situation der Armenier bereits Mitte des 19. Jahrhunderts insofern verschlechtert, als unter Herrscher Abdülhamid II. alle Christen zu Feinden des Osmanischen Reichs erklärt wurden. Unter seine Regentschaft fallen auch die ersten Massaker, denen zwischen 1895 und 1896 bereits 50- bis 100.000 Armenier zum Opfer fielen.
Nachdem einige Armenier zu Beginn des Ersten Weltkriegs die russische Armee in der Hoffnung auf Unabhängigkeit unterstützten, wurde ihnen schnell Hochverrat vorgeworden. Die Staatsführung machte sie nun kollektiv für die militärischen Probleme in Ostanatolien verantwortlich und nahm dies als Vorwand, das Gros der armenischen Bevölkerung zu deportieren.
Am 24. April 1915 kam es in Konstantinopel zu einer umfangreichen Verhaftungsaktion armenischer und syrischer Christen. Dieser folgte die systematische Vertreibung und Ermordung vieler tausender Armenier in weiten Teilen des damaligen Osmanischen Reiches. Dieser Genozid gilt als erster systematischer Völkermord des 20. Jahrhunderts, durch den etwa ein Drittel des gesamten armenischen Volks getötet wurde. Es seien aber nicht nur Menschen ermordet, sondern auch Sprache, Kultur und Tradition für immer ausgelöscht worden, so Dum-Tragut.
Zukunft der Christen ungewiss
Aho Shemunkasho betonte in seinem Vortrag die weitreichenden Folgen des Genozids für die Christen in Kleinasien und schätzte die Chancen auf ein Überleben der syrisch-orthodoxen Christen in der Region als äußerst gering ein. Mittlerweile sei die Zahl der Christen im Orient so gering, dass sie politisch quasi keine Rolle mehr spielen. "Die, die nicht ermordet wurden, sind ausgewandert", so Shemunkasho. Deswegen gebe es mittlerweile nur noch geschätzte 3.000 syrisch-orthodoxe Christen im Südosten der Türkei, während über 300.000 in der europäischem Diaspora leben. "
"Wir müssen uns daran gewöhnen, dass die Zukunft der syrisch-orthodoxen Christen nicht in ihrer eigentlichen Heimat, sondern in der Diaspora liegt", so Shemunkasho. Während des Völkermords seien 2.150 Kirchen in der Türkei zerstört worden, von den über 5.000 christlichen Geistlichen waren nach 1923 nur noch 400 am Leben. Dies zeige die brutale Effizienz, mit der sich der Völkermord auf die Christen ausgewirkt hat, so der Professor.
Türkei wird Schuld nicht eingestehen
Für den ehemalige Istanbul-Korrespondenten Christian Schüller sei es schwer vorstellbar, dass die Türkei in naher Zukunft von ihrer Haltung in Bezug auf den Genozid abweicht und ihre Schuld eingesteht. Auch beim diesjährigen Gedenken seien von der Türkei keine versöhnlichen Gesten zu erwarten. Das zeige auch der Umstand, dass der 24. April, der als Beginn des Genozids gilt, dem Gedenken der Schlacht von Gallipoli gewidmet wird, obwohl diese eigentlich erst am 25. April begonnen hat.
Einen Grund für diese Haltung sieht Schüller in der bevorstehenden Parlamentswahl, die für die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan richtungsweisend ist. "Die AKP benutzt alles als Spielball für ihre Politik, jetzt versucht man die nationalistischen Wähler durch ein hartes Auftreten zu mobilisieren", so Schüller.
Am 24. April 1915 kam es in Konstantinopel zu einer umfangreichen Verhaftungsaktion armenischer und syrischer Christen. Dieser folgte die systematische Vertreibung und Ermordung vieler tausender Armenier in weiten Teilen des damaligen Osmanischen Reiches. Dieser Genozid gilt als erster systematischer Völkermord des 20. Jahrhunderts, durch den etwa ein Drittel des gesamten armenischen Volks getötet wurde. Es seien aber nicht nur Menschen ermordet, sondern auch Sprache, Kultur und Tradition für immer ausgelöscht worden, so Dum-Tragut.
Zukunft der Christen ungewiss
Aho Shemunkasho betonte in seinem Vortrag die weitreichenden Folgen des Genozids für die Christen in Kleinasien und schätzte die Chancen auf ein Überleben der syrisch-orthodoxen Christen in der Region als äußerst gering ein. Mittlerweile sei die Zahl der Christen im Orient so gering, dass sie politisch quasi keine Rolle mehr spielen. "Die, die nicht ermordet wurden, sind ausgewandert", so Shemunkasho. Deswegen gebe es mittlerweile nur noch geschätzte 3.000 syrisch-orthodoxe Christen im Südosten der Türkei, während über 300.000 in der europäischem Diaspora leben. "
"Wir müssen uns daran gewöhnen, dass die Zukunft der syrisch-orthodoxen Christen nicht in ihrer eigentlichen Heimat, sondern in der Diaspora liegt", so Shemunkasho. Während des Völkermords seien 2.150 Kirchen in der Türkei zerstört worden, von den über 5.000 christlichen Geistlichen waren nach 1923 nur noch 400 am Leben. Dies zeige die brutale Effizienz, mit der sich der Völkermord auf die Christen ausgewirkt hat, so der Professor.
Türkei wird Schuld nicht eingestehen
Für den ehemalige Istanbul-Korrespondenten Christian Schüller sei es schwer vorstellbar, dass die Türkei in naher Zukunft von ihrer Haltung in Bezug auf den Genozid abweicht und ihre Schuld eingesteht. Auch beim diesjährigen Gedenken seien von der Türkei keine versöhnlichen Gesten zu erwarten. Das zeige auch der Umstand, dass der 24. April, der als Beginn des Genozids gilt, dem Gedenken der Schlacht von Gallipoli gewidmet wird, obwohl diese eigentlich erst am 25. April begonnen hat.
Einen Grund für diese Haltung sieht Schüller in der bevorstehenden Parlamentswahl, die für die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan richtungsweisend ist. "Die AKP benutzt alles als Spielball für ihre Politik, jetzt versucht man die nationalistischen Wähler durch ein hartes Auftreten zu mobilisieren", so Schüller.